Der Maler, Publizist und Dichter Arie Goral wird im Jahr 1909 als Walter Lovis Sternheim in eine jüdische Familie in Rheda in Westfalen geboren. Den Namen Arie Goral (Hebräisch Arie = Löwe, Goral = Schicksal) nimmt er erst in Palästina gegen Ende des Zweiten Weltkriegs an.
1913 siedelt die Familie nach Hamburg über, wo er seine Kindheit und Jugend verbringt. Schon in früher Jugend schließt er sich dem jüdischen Wanderbund „Blau-Weiß“ an, später, etwa 1923, dem zionistisch-sozialistischen „Jung-Jüdischen Wanderbund“. Er beginnt eine Lehre zum Textil-Kaufmann, später eine zum Buchhändler. Beide Lehren beendet er nicht. Sein eigentliches Interesse gilt der zionistischen Politik. Er trifft Martin Buber und Salman Rubaschow (später als Salman Shasar Israels Staatspräsident), geht auf Wanderschaft mit dem „Wanderbund“. Es ist ein unstetes Leben. Die Auswanderung kommt schneller als erwartet und ungewollt. Den „Juden-Boykott-Tag“ in Hamburg am 1. April 1933 erlebt er hautnah, als SA-Horden durch das Hermann-Tietz-Kaufhaus stürmen (heute das Alsterhaus), wo er in der Buchabteilung tätig ist. Einen Monat später flieht er vor den ihn suchenden Nationalsozialisten zunächst nach Frankreich. Dort arbeitet er auf Bauernhöfen, lebt mittellos als Clochard in den Bergen bei Andorra, in Marseille und in Paris. Er heiratet die aus Danzig stammende Künstlerin Anna Szmajewicz, mit der er am 24.12.1934 in Palästina einwandert.
Nach einer kurzen Episode in einem Kibbuz lebt er zunächst am Strand in einer kleinen Holzhütte. Der gemeinsame Sohn stirbt im ersten Lebensjahr. Daran zerbricht die Ehe. Goral zieht zeitweise nach Jerusalem, wo er in den Künstlerkreis um Else Lasker-Schüler aufgenommen wird. Es werden erste Gedichte in Kleinstauflagen veröffentlicht. Um sein Leben finanzieren zu können arbeitet er als Bauarbeiter, als Bademeister am Toten Meer und auch als Leibwächter des äthiopischen Kaisers Haile Selassi, der vor der italienischen Armee nach Jerusalem geflüchtet war. Als Soldat im Israelisch-Arabischen Krieg von 1948 erlebt Goral die Zerstörung palästinensischer Dörfer und die Vertreibung ihrer Einwohner über den Jordan gen Osten. Dieses Erlebnis traumatisiert ihn und wird zu einem der Hauptthemen seiner Bilder im Laufe von Jahrzehnten.
Wann Goral zu malen anfängt, ist nicht genau bekannt. 1950 geht er zunächst nach Florenz, wo er ein Stipendium an der Kunstakademie bekommen hatte, beschäftigt sich mit Grafik, Malerei und Kunstpädagogik. 1951 hat er eine erste Ausstellung eigener Arbeiten in der Galerie „La Saletta“. Es folgt eine Europareise durch Frankreich, Holland, Belgien und England. In England beteiligte er sich an einer Ausstellung „Temporary Jewish Artists“. Er lernt Oskar Kokoschka und Herbert Read kennenlernt. Reads Buch „Education through Art“ beeindruckte ihn so stark, dass er daran seine spätere Arbeit mit und für Jugendliche orientiert.
Bilder israelischer Kinder, die 1949 in einem von ihm geleiteten „Kinder-Studio“ in Rechovot entstanden sind, zeigt er – auf Einladung von Erich Kästner – in München, eine erste jüdische Ausstellung nach dem Krieg. Es folgen Einladungen nach Hamburg und Bremen, wo er zunächst überwiegend politisch-pädagogisch tätig ist. Die damals aktive Anti-Atom-Bewegung begleitet er pädagogisch und künstlerisch. In Hamburg, seiner „geliebt, gehassten Heimatstadt“, bleibt er schließlich hängen und engagiert sich erneut politisch und publizistisch.
1974 hört er auf zu malen. „Alles, was ich in Bildern sagen konnte, habe ich gesagt“, erzählt er später Michael K. Nathan, dem Sohn seines in den frühen 30er Jahren nach Palästina ausgewanderten Freundes aus Hamburger Jugendjahren Dr. Waldemar Nathan. Fortan widmet er sich ausschließlich seiner politischen und publizistischen Arbeit, schreibt 1989 seine Jugenderinnerungen „Jeckepotz – Eine jüdisch-deutsche Jugend 1914-1933“ und bleibt auch journalistisch tätig.
Arie Goral stirbt am 23. April 1996 in Hamburg. Seit dem Jahr 2019 trägt ein Platz im ehemaligen jüdischen Grindelviertel Hamburgs seinen Namen.
Die Jahre der Emigration nach Palästina, später Israel, bringen kaum Ruhe in das Leben von Arie Goral-Sternheim. Als Else Lasker-Schüler stirbt, deren Tod er hautnah miterlebt, zieht er von Jerusalem in die Kleinstadt Rechovot. Dort leben sein Freund aus Hamburger Jugend-Jahren, Dr. Waldemar Nathan, und sein Vetter Dr. Kurt Mendel. Obwohl er zeitweise eine Anstellung im Kunstmuseum Tel-Aviv bekommt, bleibt sein Leben ungeordnet. Die hebräische Sprache lernt er nie, kann sich an die gesellschaftlichen Gegebenheiten nicht anpassen. „Ich habe gehungert, manchmal in Hauseingängen übernachtet“ schreibt er an einen Freund. Dr. Nathan, der in Rechovot eine Landarzt-Praxis betreibt, unterstützt ihn, zahlt die Miete für sein Souterrainzimmer. Gelegentlich hält er Vorträge über Kunst in Dr. Nathans Wohnung. Zuhörer sind Mitglieder der deutsch-jüdischen Gemeinschaft in Rechovot, alle wie er selbst und wie der Gastgeber auch Flüchtlinge aus Deutschland.
Größere Wirkung erzielt er später nach der Rückkehr nach Hamburg Anfang der 50er Jahre. In Kampagnen, die er zusammen mit Michael K. Nathan und anderen jungen Aktivisten mit viel Energie führt, erreicht er, um nur drei zu nennen: das Aufstellen eines Denkmals für Heinrich Heine auf dem Hamburger Rathausmarkt; die Benennung der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek nach Carl von Ossietzky; die Eliminierung der Nummernschilder des Fuhrparks der Stadt Hamburg, die die Buchstabenkombinationen HH-SS, HH-SA, HH-NS und HH-KZ trugen.
Zur Erinnerung an das künstlerische Wirken von Arie Goral hat Michael K. Nathan, als Kind in Palästina einst Schüler in Gorals Malschule, später langjähriger Freund und nach dessen Tod über Jahre Vorsitzender der Arie Goral-Sternheim-Gesellschaft e.V. dem Museum Kunst der Verlorenen Generation einige Werke des Künstlers als Schenkung überlassen.