Der vielseitige Maler, Grafiker und Bildhauer Alfred Nungesser ist heute besonders für seine einfühlsamen Tierzeichnungen und seine exzentrischen Collagen sowie Fotomontagen bekannt. Sein Werk schließt aber auch Ölmalerei, Aquarell, Textilien und plastische Arbeiten ein.
Nungesser wird 1903 in Offenbach in Hessen geboren. Über die Zeit vor seinem Studium an der Frankfurter Kunstschule, später auch „Städelschule“ genannt, ist wenig überliefert. Dort beginnt er ab 1924 mit dem Kunststudium, das die Grundlage für sein vielfältiges und von sehr unterschiedlichen künstlerischen Techniken geprägtes Schaffen bildet. Die ersten beiden Jahre studiert Nungesser bei dem eher traditionell orientierten Johann Vinzenz Cissarz und kann sein Talent schon im ersten Studienjahr mit seiner Beteiligung in der „1. Ausstellung der Kunstgewerbeschule“ 1925 unter Beweis stellen. Die positiven Kritiken der Ausstellung erwähnen den jungen „bohrend gründlichen“ Nungesser und dessen „Gestaltungen aus einer rhythmischen Reihe“ in der Frankfurter Zeitung.
Schon im folgenden Studienjahr wird Nungesser in Max Beckmanns Meisterklasse an der Städelschule aufgenommen. Auch wenn der Unterricht bei Beckmann ein neues kreatives Potential bei ihm anregt und er die besondere Aufmerksamkeit Beckmanns schätzt, fühlt er sich dort nicht richtig aufgehoben und verlässt die Städelschule 1927 wieder. Er wechselt anschließend an die Offenbacher Kunstgewerbeschule, wo er bei Maler und Gestalter Richard Throll und dem Schriftkünstler Rudolf Koch studiert. Danach geht er 1928 an die Königliche Kunstschule in Berlin. Auf Drängen seiner Eltern nach einer soliden Berufsgrundlage macht er dort eine Ausbildung zum Kunsterzieher.
So verbringt Nungesser die nächsten vier Jahre bis 1931 am Puls des künstlerischen Lebens der Weimarer Republik. Seine Berliner Jahre prägen ihn künstlerisch entscheidend. Das Berlin der 1920er-Jahre bietet ihm eine facettenreiche Kunstszene mit wichtigen Vertretern des Dadaismus, Surrealismus, Konstruktivismus, Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Die realistischen Tendenzen aus seiner Frankfurter Zeit entwickelt Nungesser künstlerisch weiter und experimentiert auch mit neuen Techniken wie der Fotomontage oder der Collage. Seine Motive sind in dieser Zeit vielfältig, oftmals sozialkritisch oder karikativ.
1932 kehrt Nungesser nach Frankfurt zurück und beginnt ein Studium der Biologie. Nach dessen Abschluss 1936 arbeitet er bis zu seiner Pensionierung 1962 als Kunsterzieher am Gymnasium Philippinum in Weilburg an der Lahn.
Für die Zeit ab 1933 gibt es nur wenige Angaben über sein künstlerisches Schaffen. Mit Sicherheit hat er von der Auflösung seiner ehemaligen Klasse erfahren, da er zu dieser Zeit wieder in Frankfurt lebt. Nungesser reagiert auf die politische Lage mit unauffälligen Landschaftsbildern. Nach dem Krieg ist seine Arbeit durch seine Kriegserlebnisse von Nachdenklichkeit und Niedergeschlagenheit geprägt. Es entsteht eine Reihe von Plastiken und statt der Tierwelt werden für ihn Menschen mehr und mehr zum Thema. Alfred Nungesser verstirbt 1983 in Dreieich im Landkreis Offenbach.
Im Gegensatz zu Max Beckmann und anderen seiner Schülerinnen und Schüler wird Alfred Nungesser nie direkt vom öffentlichen Kunstbetrieb ausgeschlossen. Das liegt zum großen Teil auch daran, dass er nicht die freie Kunst, sondern eine fachliche Umorientierung zum Kunsterzieher als berufliche Perspektive wählt. Allerdings bedauert Nungesser später, ebenso wie sein langjähriger und enger Freund Theo Garve aus gemeinsamen Zeiten in Beckmanns Meisterklasse, neben seiner Lehrtätigkeit kaum Muße zur eigenen künstlerischen Betätigung aufbringen zu können. Auch sein frühzeitiges Verlassen der Meisterklasse Beckmanns kommentiert Nungesser später mit Bedauern.
1980, drei Jahre vor seinem Tod, werden zwei Werke Nungessers in der Ausstellung „Max Beckmanns Frankfurter Schüler 1925-1933“ des Karmeliterklosters in Frankfurt am Main gezeigt.
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